„Wer Friseur werden will, braucht Leidenschaft!“

Auszubilden ist für Deyar Jamo, Inhaber des Friseursalons Fabulous Hairdresser, eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Im Interview erklärt der Iraker, der vor mehr als zehn Jahren als Geflüchteter nach Deutschland kam, warum es für ihn aber auch ein ganz persönliches Anliegen ist, junge Menschen den Einstieg in den Beruf zu ermöglichen und wie das mit seiner eigenen Lebensgeschichte zusammenhängt.

Herr Jamo, warum haben Sie sich entschieden, sich selbstständig zu machen?

Bevor ich nach Deutschland kam, habe ich in einer Stadt gearbeitet, wo mich alle kannten. Ich hatte einen kleinen Essensstand mit meinem Vater, so einen, den die ganze Stadt kennt. Also kannten auch alle meinen Vater und mich. Auf einmal war ich nicht mehr im Irak, sondern in Deutschland und hier kannte ich keinen. Das war schon traurig für mich.

Ich habe mich entschieden, ich will einer von den Anwohnern sein. Ich will nicht Deutscher sein oder Bayer oder Westfale, sondern ich will Bonner sein. Das war für mich damals entscheidend. Ich bin jetzt hier und wohne in Bonn. Also will ich auch Freunde hier haben. Aber wie kann ich Freunde machen?

Viele gehen zum Beispiel in einen Sportverein oder versuchen, Leute in ihrer Freizeit kennenzulernen. Für Sie ging dieser Weg aber über den Beruf?

Ja, ich bin dann irgendwann zu einem Friseur gegangen und wollte zum ersten Mal in Deutschland meine Haare schneiden lassen. Dann sah ich diesen Friseur, wie er mit den Kunden umging. Alle haben ihn begrüßt, sie haben sich unterhalten. Ich habe gedacht, das ist genau wie bei uns im Irak. Die Leute können hier auch befreundet sein, es gibt nicht nur diese Anonymität.

Und so sind Sie auf die Idee gekommen, den gleichen Weg einzuschlagen...

Genau. So habe ich mich dazu entschieden, Friseur zu werden. Ich habe dann ein Praktikum gemacht, ich hatte den ersten Kontakt zu den Menschen. Beim Friseur kommt jede halbe Stunde eine neue Kundin oder ein neuer Kunde rein.

Selbstständig habe ich mich dann gemacht, weil ich mich vorher meistens an Leute anpassen musste und das war etwas, was mich richtig genervt hat. Ich wollte machen, worauf ich Lust habe.

Was würden Sie sagen ist das Besondere an Ihrem Friseursalon?

Hier hat jeder seinen eigenen Charakter. Es ist hier ein bisschen wie eine Theaterbühne. Jeden Tag wird hier ein anderes Stück gespielt. Das hängt ab von den Tagen, wie man drauf ist, es hängt auch ab von den Leuten, die hier sitzen. Wir verstellen uns nicht. Der menschliche Kontakt ist uns sehr wichtig. Und die meisten Kundinnen und Kunden kommen immer wieder. Das liegt nicht daran, dass wir die besten Scheren oder Produkte haben. Die kommen, weil es menschlich passt.

Seit mehreren Jahren sind Sie auch Ausbildungsbetrieb. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, auszubilden?

Ich hatte damals selbst Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden. Ich habe es nur mit der Hilfe von Ehrenamtlichen geschafft. Sie haben mich bei der Bewerbung unterstützt, sind mit mir von Tür zu Tür gegangen. Ich habe mich dazu entschieden, motivierten Leuten den Einstieg einfacher zu machen. Dieser erste Schritt ist wichtig, weil es nicht leicht ist, das System zu verstehen. Da ich die deutsche und arabische Sicht kenne, kann ich gut zwischen beiden Seiten vermitteln.

Welche Vorteile haben Sie als Unternehmer von der Ausbildung?

Wenn es gut läuft, bleibt der oder die Azubi nach der Ausbildung hier. Das ist ein Vorteil für mich, denn dann habe ich eine Fachkraft, die uns kennt und die bestens zu uns passt.

Ich kann es ehrlich gesagt nicht verstehen, wenn Unternehmen nicht ausbilden, wenn sie lieber nur Gesellen oder Meister anstellen, statt selbst auszubilden. Das finde ich viel zu schade. Denn irgendwann stirbt das Handwerk aus und dann haben wir keine richtigen Fachkräfte mehr. Ich finde diese Einstellung irgendwie egoistisch.

Was sind Ihre Anforderungen an eine Auszubildende oder einen Auszubildenden? Und wie sieht Ihre oder Ihr Traum-Azubi aus?

Die deutsche Sprache! Das macht alles einfacher. Zumindest sollten sie Deutsch gut verstehen. Und Offenheit ist mir wichtig. Aber ich habe da kein Wunschkonzept. Es sollte einfach menschlich passen. Die Person muss motiviert sein. Sie sollte eine bewusste Entscheidung getroffen haben, Friseur zu werden und zu bleiben. Als Friseur kommt man nicht an das große Geld, man macht das aus Leidenschaft. Das muss jedem bewusst sein und da muss man sich leider in den drei Jahren Ausbildung erstmal für die Leidenschaft opfern.

 

Fabulous Hairdresser
-Friseursalon-
Inhaber: Deyar Jamo
Gründung: 2016
Angestellte: 4
Ausbildungsbetrieb: ☒ ja ☐ nein

Kölnstr. 75
53111 Bonn
0228/92 96 45 60
info@fabuloushairdresser.de
www.fabuloushairdresser.de

Das Interview führten Laura Burzywoda und Hafize Sağlam am 18.02.2020.
Fotos: Otto Benecke Stiftung e.V. 

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