„Kleine Maklerbüros brauchen Unterstützung bei der Ausbildung“

Der Finanzmakler Sedat Koçer bildet seit September 2018 in seinem Versicherungsbüro in Bonn Lannesdorf zum Kaufmann/frau für Versicherungen und Finanzen aus. An eine weitere Ausbildung will er derzeit nicht denken, die Herausforderungen und Bedenken sind für ihn zu groß. Er wünscht sich mehr Unterstützung von der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg (IHK), um die Ausbildungsqualität in kleinen Maklerbüros zu garantieren.

Herr Koçer, Sie bilden seit September 2018 aus. Wie waren Ihre Erfahrungen bisher?

Ich muss leider sagen, dass es sehr schwierig ist, in einem kleinen Maklerbüro auszubilden. Ich kann nicht in verschiedenen Abteilungen und Bereichen ausbilden. Die Auszubildende lernt hier nur das Alltagsgeschäft kennen. Das ist nicht dieselbe Ausbildung, die ich in einem großen Unternehmen genossen habe.

Sie würden also sagen, dass Sie Ihre Auszubildende nicht so ausbilden können, wie Sie selbst ausgebildet wurden?

Nein, denn ich habe in meiner Ausbildung verschiedene Abteilungen durchlaufen und alle Arbeitsbereiche kennengelernt. Zwei Monate in der Schadensabteilung, zwei Monate in der Krankenversicherung, zwei Monate in der Geschäftsstelle, und so weiter. Die Gesellschaften schicken auch auf interne Schulungen, diese Möglichkeiten haben wir nicht. Ich bilde allein aus. Und hier im Büro machen wir Vertrieb. Das heißt also, dass wir hier zum Beispiel gar keine Schadensbearbeitung machen, weil wir die einfach weitergeben an die Versicherungsgesellschaften. Wir machen auch keine Leistungsbearbeitung für Krankenversicherungen. Das fehlt alles. Aber das ist meiner Meinung nach immens wichtig für das Versicherungs- und Finanzwesen.

Kann das nicht auch für die Auszubildenden problematisch sein?

Wenn die Auszubildende später bei mir oder in einem anderen Maklerbüro arbeiten wird, ist das natürlich kein Problem. Aber was ist, wenn sie später zu einer Gesellschaft gehen möchte und dort in der Leistungsabteilung arbeiten soll? Sie wüsste dann zwar, wie das Versicherungswesen aufgebaut ist, aber von der Sachbearbeitung oder Schadensbearbeitung hätte sie keine Ahnung, weil wir es nicht machen. Es ist dann nicht dasselbe, als wenn man in verschiedenen Abteilungen komplett ausgebildet wird.

Meinen Sie denn, es ist grundsätzlich sinnvoller, dass nur Gesellschaften in diesem Bereich ausbilden?

Das Problem ist ja, dass es so viele junge Leute gibt, die diesen Beruf gerne lernen würden. Der Andrang ist groß. Aber die Möglichkeiten der Ausbildungsplätze ist halt gering bzw. nicht zufriedenstellend. Ich kann nur für meinen Betrieb sagen, dass sie hier den Vertrieb und die Beratung lernen. Und das werden sie sicher besser draufhaben, als wenn sie bei einer Gesellschaft ausgebildet werden, das kann ich versichern. Aber die Sachbearbeitung oder die Schadensbearbeitung ist bei uns nicht abgedeckt.

Wird das nicht in der Berufsschule aufgefangen?

Natürlich werden diese Themenfelder in der Berufsschule behandelt. Zum Beispiel lernt man, wie Versicherungsbeiträge ermittelt werden. Man lernt in der Berufsschule alles theoretisch, aber der Praxisbezug fehlt eben hier; das wird im Betrieb gemacht. Und da ist es natürlich wichtig, dass man die ganze Bandbreite des Berufs auch kennenlernen kann und nicht nur einen Aspekt.

Was müsste Ihrer Meinung nach passieren? Wie kann sich die Ausbildungssituation verbessern?

Ich finde, die großen Versicherungsgesellschaften sollten stärker mit uns zusammenarbeiten bei der Ausbildung. Sie sollten uns freien Maklerinnen und Maklern die Möglichkeit geben, unsere Auszubildenden in deren Abteilungen mitauszubilden. Bezahlt werden die Azubis ja dann von uns, das wären also keine Mehrkosten für die Gesellschaften. Aber unsere Azubis würden besser ausgebildet. Und letzten Endes arbeiten wir mit diesen Gesellschaften ja auch alle zusammen. Wir bringen durch unsere Arbeit Geschäfte zu vielen Gesellschaften. Sie profitieren also auch davon.

Welche Unterstützung bräuchten Sie, damit so ein Ausbildungsmodell möglich wäre?

Die IHK sollte sich der Sache annehmen. Es ist auch für die IHK von immenser Bedeutung, dass die ausgebildeten Menschen auf dem freien Markt die volle Branche abdecken können. Dass sie, wenn sie nach der Ausbildung fertig sind, nicht nur im Vertrieb, sondern auch als vollwertige Mitarbeiter bei einer Gesellschaft arbeiten können. Und das könnte meine Auszubildende leider nicht. Sie wäre zwar ausgebildete Kauffrau für Versicherungen und Finanzen, müsste bei einer Gesellschaft aber trotzdem neu eingearbeitet werden. Die praktische Erfahrung fehlt ihr einfach. Meiner Meinung nach sollte die IHK sich da Gedanken machen.

Sie haben neben Ihrer Auszubildenden auch einen Praktikanten. Ist das ein Schnupperpraktikum oder ein Schulpraktikum?

Cansin macht ein 6-monatiges Praktikum hier, er braucht das für sein Fachabitur. Danach will er ein Studium beginnen. Ich unterstütze ihn gerne dabei!

 

SKP Finanzmakler
-Versicherungsbüro-
Inhaber: Sedat Koçer
Angestellte: 2
Ausbildungsbetrieb: ☒ ja ☐ nein

Kirchberg 6a
53179 Bonn
0228 934 84 92
www.skp-finanz.de


Das Interview führten Laura Burzywoda und Hafize Sağlam am 27.08.2020.
Fotos: Otto Benecke Stiftung e.V. 

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