Geschichte der Otto Benecke Stiftung e.V.

Von der Hilfe für Flüchtlinge zur Förderung der Teilhabegesellschaft

Die Anfänge: 1953-1965

Die Ursprünge der Otto Benecke Stiftung e.V. (OBS) reichen zurück in das Engagement der Verfassten Deutschen Studentenschaft in der Bundesrepublik nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Flucht und Vertreibung gehörten zu den dringendsten sozialen Problemen der Nachkriegszeit und betrafen auch viele Studierende und Studierwillige.

Bei einem Mitgliedertreffen des Verbands Deutscher Studentenschaften (VDS) 1952 stellte der Student Theo Tupetz ein Memorandum vor, in dem er drei Gruppen von Studierenden in der Bundesrepublik hervorhob, die finanzielle und bürokratische Unterstützung benötigten. Es handelte sich um Heimatvertriebene aus den ehemaligen deutschen Gebieten in Ost- und Mitteleuropa, Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone sowie Exilstudenten, vor allem aus Osteuropa. Eine Erhebung des VDS, die kurz zuvor entstand, zeigte, dass damals jeder vierte deutsche Student in der Bundesrepublik in eine dieser Gruppen fiel.

Tupetz stellte heraus, dass vor allem ein großer Teil der Sowjetzonen-Flüchtlinge dringend Unterstützung benötigte, da nur ein geringer Teil von ihnen für Beihilfen nach dem Soforthilfe- und später Lastenausgleichsgesetz in Frage kam. 

Der VDS beauftragte Tupetz in der Versammlung mit dem Aufbau einer zentralen Flüchtlingsberatungsstelle. 1953 konnte diese mit Unterstützung des Bundesinnenministeriums als „Sozialamt des Deutschen Bundesstudentenrings“ ihre Arbeit aufnehmen. Das Sozialamt hatte seinen Sitz in den Räumen der Bonner VDS-Vertretung. Es ging dort zunächst um Beratung von Studierenden in Bezug auf ihre Ansprüche auf Ausbildungsbeihilfen. Das Sozialamt unterhielt auch Zweigstellen für geflüchtete und vertriebene Studierende in Durchgangs- und Notaufnahmelagern und war für die Beratung aller deutschen Studierendenverbände in diesen Fragen zuständig.

Da sich die Lage der Sowjetzonen-Flüchtlinge nicht besserte, entwarf Tupetz ein Sofortprogramm für diese Zielgruppe. Eine VDS-Delegation besuchte Konrad Adenauer im Vorfeld der Bundestagswahlen 1953 und stellte ihm dieses Programm vor, kurz darauf konnte es aus einem Sonderfonds des Bundesinnenministeriums realisiert werden. 1956 wurde dieser „Garantiefonds“ auf Dauer eingerichtet und allgemein zur Unterstützung bleibeberechtigter Zuwanderer eingesetzt. Diese Ausweitung der Zielgruppe wurde vor allem relevant, als es nach dem Bau der Mauer weniger DDR-Flüchtlinge gab. Das Sozialamt betreute auch Studierende aus dem Globalen Süden und erhielt dafür Mittel vom Auswärtigen Amt. Für diese Zielgruppe von Studierenden wurden Sprachkurse und Propädeutika, die sie auf ihr Studium in der Bundesrepublik vorbereiteten, eingerichtet.

Gründung des Vereins (1965)

Durch die Expansion der Aufgaben des Sozialamtes wuchs der jährliche Zuschuss des Bundesinnenministeriums bis 1964 auf rund 1,4 Mio. DM jährlich an. Der Großteil fiel auf Stipendienmittel und stellte somit im Haushalt nur einen durchlaufenden Posten dar. Dies führte dazu, dass das Sozialamt abgelöst vom restlichen VDS-Haushalt nach den Prinzipien des öffentlichen Haushalts- und Kassenwesens geführt werden musste und der öffentlichen Kontrolle des Bundesrechnungshofs unterlag. Dieser regte 1964 bei einer Prüfung an, dem bisher nicht rechtsfähigen Sozialamt eine eigenständige Rechtspersönlichkeit zu verleihen. Der Bundesstudentenring beschloss daraufhin, einen eingetragenen Verein zu gründen.

Am 22. Februar 1965 trafen sich in den Räumen der Studentenvertretung der Technischen Universität Berlin die Vorstände der angeschlossenen Studentenverbände und gründeten den gemeinnützigen Verein „Otto Benecke Stiftung. Sozialamt der Deutschen Bundesstudentenrings e.V.“. Die Verwendung des Begriffes „Stiftung“ war nicht als Hinweis auf die Rechtsform zu verstehen, sondern als Verpflichtung auf die Ideen des Namensgebers Otto Benecke.

Benecke war nach dem ersten Weltkrieg erster AStA-Vorsitzender an der Universität Göttingen und führend an der Gründung der „Deutschen Studentenschaft“, der ersten einheitlichen Dachorganisation der studentischen Selbstverwaltung, beteiligt gewesen. 1919 war er erster Vorsitzender dieser Organisation, die sich in ihren Anfangsjahren ebenfalls für die Lösungen der durch Inflation und Krieg verursachten Probleme von Studierenden einsetzte. Benecke stand Theo Tupetz über Jahre hinweg als Berater zur Seite. Er verstarb 1964. Die Benennung des Vereins nach ihm war auch Ausdruck der persönlichen Verbundenheit. Mitglieder des Vereins waren die jeweils amtierenden Vorsitzenden der zehn VDS-Landesverbände sowie die Vorsitzenden der übrigen Mitgliedsverbände des Bundesstudentenringes. Erster Vorsitzender wurde der VDS-Vorsitzende Emil Nutz, Geschäftsführer wurde Theo Tupetz, untergebracht war der Verein weiterhin in den Räumen des VDS in der Bonner Georgstraße.

1967 kam es zur Bildung eines Kuratoriums. Mitglieder waren Vertreter mehrerer Bundesministerien und eine Reihe ehemaliger Studentenfunktionäre. Den Vorsitz übernahm Rudolf Sieverts, Strafrechtler und damaliger Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz. Das Kuratorium hatte Aufsichts- und Beratungspflichten und sollte den Verein stärker an die fördernden Institutionen binden sowie Erfahrungen und Sachkenntnisse nutzen.

1969 wurde die Bonner VDS-Zentrale zum Ziel einer Besetzungsaktion und Theo Tupetz brachte aus Angst vor Diebstahl dienstliche Akten in seiner Wohnung unter. Da dies mit dem Vorstand nicht abgesprochen war, wurde Tupetz im Juli 1969 entlassen.

Das Kuratorium führte Gespräche mit dem Bundesinnenministerium, dem Bundesfamilienministerium, dem Auswärtigem Amt und den Kultusministerien der Länder mit Ziel, die Vereinsarbeit finanziell zu stabilisieren.

Neugründung des Vereins (1969)

Am 19. November 1969 kam es zur Neugründung des Vereins, Mitglieder wurden ehemalige Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder, aber als Privatpersonen. Das Kuratorium bestand weiterhin aus Vertretern der Bundesministerien, der Kultusministerkonferenz und der Westdeutschen Rektorenkonferenz. Erster Präsident wurde Rudolf Sieverts, Geschäftsführer wurde Wolfgang G. Beitz, der dieses Amt bereits seit Tupetz Entlassung kommissarisch innegehabt hatte.

Durch diese Neugründung wurden die institutionellen Bindungen an die Verfasste Studentenschaft gekappt.

Ab 1970 expandierte der Verein durch die erfolgreichen Verhandlungen des Kuratoriums. Die Bonner Geschäftsstelle unterstützte bei der Aufnahme und Durchführung eines Studiums. Es kam zusätzlich zur Gründung einer eigenen „Gesellschaft zur Förderung berufsspezifischer Ausbildung“ (GFBA) zur Durchführung der OBS-Sprachkurse sowie des „Haus der politischen Bildung e.V.“ in Berlin zur Durchführung von Seminaren zu fachpolitischen und deutschlandpolitischen Themen. Den Vorsitz des „Haus der politischen Bildung“ übernahmen Eberhard Diepgen, Emil Nutz und Lothar Krappmann.

Aussiedler aus osteuropäischen Ländern wurden zur größten Zielgruppe der OBS. Hinzu kamen außerdem Kontingentflüchtlinge und Asylberechtige, zeitweise auch Asylbewerber. Außerdem wurden die Aktivitäten zur Unterstützung von Studierenden aus dem globalen Süden ausgebaut, zunächst im Inland, dann auch vor Ort. Sie erstreckten sich nicht nur auf akademische Bildungsgänge, sondern auch auf den Bereich der handwerklich-technischen Qualifizierung.

1970 startete das sogenannte „Fachhochschulprogramm“, 1978 das „Sonderprogramm zur Ausbildung von Flüchtlingen aus dem südlichen Afrika“ aus Mitteln des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Hauptzuwendungsgeber der OBS wurde das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, das den Garantiefonds vom Bundesinnenministerium übernahm.

Eingliederungsprogramme: GF-H und Akademikerprogramm

Hauptaufgabe der OBS blieb der Garantiefonds Hochschule. Dieser wurde 1972 vom Ministerium in Form „Allgemeiner Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Beihilfen zur Eingliederung junger Zuwanderer“ neu gefasst und ermöglichte so nicht nur die Förderung des Einstiegs, sondern auch der Durchführung des Studiums. Davon profitierten vor allem DDR-Flüchtlinge, die keine studienvorbereitenden Maßnahmen wie Sprachkurse benötigten, aber von der studienbegleitenden Förderung profitierten. Ab 1974 gingen so viele Förderanträge ein, dass die OBS kurzfristig zusätzliche personelle Ressourcen erschließen musste.

Der GF-H ist gekennzeichnet von einem Nacheinander und Nebeneinander verschiedener Zielgruppen. Vor allem die wechselnden Herkunftsorte der Geförderten prägen seine Geschichte. Nach und neben den DDR-Flüchtlingen waren es zunächst Flüchtlinge aus Krisengebieten, Asylsuchende aus Chile, Aussiedler aus Polen und Rumänien, später Aussiedler aus der UdSSR, Boatpeople aus Vietnam, jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion. Diese wurden durchgehend individuell betreut. Die Förderung richtete sich seit jeher an „jugendliche“ Zugewanderte, zunächst Personen, die das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, später an Personen, die das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Um auch Zugewanderte zu unterstützen, die älter waren oder in ihrem Herkunftsland bereits einen Abschluss erworben hatten, wurde später das „Akademikerprogramm“ eingeführt.

Umbruchzeit: 1990-2010

In den Jahren vor 1990 nahm die Flucht aus der DDR stark zu, um dann nach der Vereinigung der beiden Staaten vollständig aufzuhören. Ab 1992 gab es außerdem aufgrund von migrationspolitischen Entscheidungen einen Rückgang von Asylbewerbern. Am schwersten wog jedoch die Entwicklung der Aussiedlerzuwanderung. Zwischen 1988 und 1999 erreichte sie eine Höhe, die von der OBS eine große Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit erforderte. Die Zuwanderung der Aussiedlerinnen und Aussiedler war zunächst migrationspolitisch gewollt, als diese Migrationsbewegung jedoch eine Eigendynamik annahm, kam es zu einer Politik der Dämpfung und Restriktion. Die Zahlen gingen seit Beginn der 1990er Jahre langsam und dann ab 2004 rapide zurück und erreichten 2012 einen absoluten Tiefpunkt. Die OBS baute daher zusätzlich ihren Projektbereich aus. Es kam zu einer Erschließung neuer Tätigkeitsfelder. Vor allem Aufgabenfelder, die im Rahmen der Wende entstanden wie Jugendarbeit, Arbeit mit deutschsprachigen Minderheiten in mittel- und osteuropäischen Ländern und die Kooperation mit Migrantenorganisationen traten in den Vordergrund. 2009 wurde die institutionelle Förderung der OBS durch das Familienministerium beendet und in eine Projektförderung für den GF-H überführt. Die Außenstellen (Beratungsstellen) wurden von der Bonner Geschäftsstelle abgelöst und an die Jugendmigrationsdienste der Wohlfahrtsverbände angeschlossen.

Die Geschäftsstelle Bonn der Otto Benecke Stiftung e.V. ist bis heute mit der Durchführung des Garantiefonds Hochschule sowie den damit verbundenen Programmen, dem Hochschul- und Seminarprogramm betraut. Die Förderung umfasst die Übernahme der Kosten von studienvorbereitenden Sprachkursen (Deutsch bis Niveau C1 und Englisch bis Niveau B2), Seminaren zur Vorbereitung auf ein Studium (IT-Kurse, Schreibwerkstatt, Einführung in das Sozial-, Gesundheits- und Wirtschaftssystem Deutschlands etc.), Kursen zum Erwerb des Abiturs, Kursen zur Vorbereitung auf bestimmte Studiengänge sowie Zuschüsse zu Lebenshaltungskosten und Lernmaterialien während der Teilnahme.

Die Durchführung des anschließenden Studiums wird nicht mehr finanziert. Bleibeberechtige junge Zugewanderte, die das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ein Studium in Deutschland aufnehmen oder fortführen möchten, bilden weiterhin die Zielgruppe. In den letzten Jahren kam ein Großteil von ihnen aus Syrien, Afghanistan und der Ukraine.

Daneben hat der Verein bis heute eine Vielzahl von Projekten in den Handlungsfeldern der akademischen Qualifizierung, beruflichen Qualifizierung, dem gesellschaftlichen Miteinander und der Hilfen in den Herkunftsländern durchgeführt.

Der anfängliche Auftrag der OBS, Vertriebene und Geflüchtete nach dem Krieg zu unterstützen, hat sich über die Jahre kontinuierlich erweitert und entwickelt. Heute setzt sich die Otto Benecke Stiftung e.V. durch ihre Programme und Projekte für die gesellschaftliche Teilhabe von Zugewanderten durch Qualifizierung ein.

Quelle: Reich, Hans H.; Rohwedder, Uwe: Von der Hilfe für Flüchtlinge zur Förderung der Teilhabegesellschaft - Geschichte der Otto Benecke Stiftung e.V. 1965-2015; S. 11-64; in: Beiträge der Akademie für Migration und Integration; Heft 15; Sonderband, Integration stiften! 50 Jahre OBS - Engagement für Qualifikation und Partizipation; hrsgb. v. Krüger-Potratz, Marianne ; V&R unipress 2015.

Weitere Informationen: Beispiele unserer Arbeit

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Präsidenten und Geschäftsführer OBS

 

 

 

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